Vom Genderbashing und Caster Semenya

Ab wann ist eine Frau eine Frau - Vom Genderbashing und Caster Semenya

Donnerstagabend, 10. Juli 2017: Ich, weiblich, 42, sitze auf der Couch und sehe Fern: die 800-Meter-Vorläufe der Frauen bei der Leichtathletik WM in London stehen auf dem Programm.  Das ZDF überträgt an diesem Abend, am Mikrofon:  Peter Leissl und Marc Windgassen, Leichtathletikexperten. Mit dabei im ersten der Rennen: die Südafri­ka­ne­rin Caster Semenya, die 800 Meter Olympiasiegerin von Rio 2016 und London 2012.

 

Wenn man den ZDF-Männern zuhört, geht es bei der 26 jährigen nicht mit rechten Dingen zu. Was passiert: ein Gendertribunal der übelsten Sorte, so als lebe man noch im finsteren Mittelalter. Sie sehe nicht aus wie eine Frau hieß es wir (die Zuschauerinnen) würden es ja selber sehen.

 

Doch  damit nicht genug: Ähnliche Formulierungen fanden sie auch bei der kenianischen Läuferin Margaret Wambui und der Läuferin Francine Nyonsaba aus Burundi: Auch sie würden physisch nicht den üblichen Kriterien dessen, was eine Frau ist, entsprechen und ergo vielleicht keine seien.

 

In der Tat ist die Läuferin Caster Semenya nicht gerade zierlich, sie sieht bullig aus und ihr Laufstil erinnert eher ans Marschieren als an gazellenschlankes, graziles Laufen.

 

 

 

Und dennoch: Caster Semeny ist eine Frau. Eine Frau mit sehr hohen Testosteronwerten. Dies wurde 2009 nach ihrem 800 Meter Erfolg bei der WM in Berlin durch einen Geschlechtstest festgestellt. Ein Test, der damals ebenso öffentlich wie demütigend war, ein damals 18 jähriges Mädchen schwer verängstigt und traumatisiert haben mögen und Südafrikaner aller Hautfarben auf den Plan riefen, um das junge schwarze Mädchen zu unterstützen. Geschlechtstests, Spekulationen über angeblich fehlende Eierstöcke und innenliegende Hoden. Testosteronwerte. Alles in der Öffentlichkeit ausgetragen. Anzeichen dafür, dass Caster Semenya weder Mann noch Frau sei. Sperre vom überforderten Weltverband IAAF . Generalsekretär Pierre Weiss teilte mit: „Es ist klar, dass sie eine Frau ist, aber vielleicht nicht zu 100 Prozent“

 

Casters Seele hat hat damals  keinen interessiert. Und weil sie nichts dazu sagte und alles in sich hineinfraß, weiß keiner so genau, wie sie es schaffte, die folgenden zwei Jahre zu überstehen. Eine Hormonbehandlung ließ sie über sich ergehen, und elf Monate war sie gesperrt. Hektisch wurde in jener Zeit die offenkundig komplizierte Zusammensetzung ihrer geschlechtsbestimmenden Chromosomen erforscht – und am Ende entschied der Weltverband der Leichtathletik auf Freispruch. Seither darf Caster Semenya wieder starten als das, was sie immer von sich behauptet hat: "Ich bin ein Mädchen."

 

Caster Semenya ist eine Frau, eine Frau, die nach ihrem Vorlauf jeder einzelnen Mitläuferin freundlich lächelnd die Hand gibt.